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WDR Beitrag vom 18.11.2015: "Uns stinkt's: Die Mistrevolte"
Umdenken ist gefordert!
"Dem Kreis Steinfurt droht eine regelrechte Grundwasser-Katastrophe.
Im Jahr 2021 werde der chemische Zustand nahezu aller 21 Grundwasserkörper im Kreis als „sehr schlecht“ bewertet werden müssen, sagte Werner Wenker, neuer Leiter der Unteren Wasserbehörde beim Kreis Steinfurt am Mittwochabend vor dem Umweltausschuss.
„Aus unserer Sicht ist sofortiger Handlungsbedarf gegeben, mahnte Wenker. Schon heute gebe es gegenüber 2009, also nur sechs Jahre später, eine Verschlechterung in den Gebieten Rheine und Westerkappeln.
Grund sei die intensive Viehhaltung und der zunehmende Flächendruck durch Biogasanlagen. Vor allem Ammonium, Nitrat und Pflanzenschutzmittel belasteten das Grundwasser.
Wenker kritisierte, dass die Verwertung der Gärreste aus Biogas-Anlagen immer noch nicht hinreichend geregelt sei, und sie nicht von der Düngemittelverordnung erfasst würden. Nur noch über Sanktionen, eine Verschärfung der Düngemittelverordnung und strengere Gesetze zur Grundwasser-Sanierung könne der Trend gestopp werden. Insgesamt würden jährlich im Kreis Steinfurt 26 Millionen Kubikmeter Grundwasser als Trinkwasser gefördert, außerdem 6 Millionen m³ Wasser für die Tierhaltung, sagte Wenker. Aber auch der Zustand der Fleißgewässer im Kreis Stenfurt ist problematisch. 700 000 Kilogramm Chloride aus dem Bergbau muss alleine die Ibbenbürener Aa verkraften – täglich.
Der Grenzwert von 400 mg/l werde um das 50-fache überschritten, die Aa sei „biologisch tot“. Der ökologische Zustand der 67 berichtspflichtigen Gewässer (Gesamtlänge 673 km) die sich im Kreis Steinfurt auf 93 Wasserkörper verteilen, habe sich gegenüber 2009 eher noch verschlechtert, meinte Wenker. Besserung soll das gerade unterzeichnete Fließgewässerentwicklungsprogramm bringen, dass der Kreis, die Umweltstiftung und der WLV gerade unterzeichnet haben. Während Hans-Georg Guhle (CDU) beteuerte, die Landwirtschaft habe „erkannt, dass was passieren muss“ und an das „lange Gedächtnis“ des Grundwassers erinnerte, das bereist erfolgte Verbesserungen nur sehr zeitverzögert weitergebe, sprach der grüne Ausschuss-Vorsitzende und Landratskandidat Hermann Stubbe von einem „hohen Handlungsdruck“ und forderte ein „Umdenken in der Gesellschaft und in der Kreisverwaltung“."
So die IVZ, Regionalteil "Kreis Steinfurt"
Quelle:
IVZ Artikel vom 23.05.2015
Die nachfolgende Informationen kommen von den Seiten der WDR Online Ausgabe: WDR 18.11.2015
Die wichtigsten Fakten:
Wie gefährlich ist Nitrat?
Von Andreas Braun
"Nitrat kommt in der Natur häufig vor und ist ein Energiespender für Pflanzen. Doch Nitrat kann gefährlich werden, wenn es im Körper zu Nitrit wird. Die wichtigsten Fakten zu dem Stoff, der vor allem durch die industrielle Landwirtschaft zu einem Problem wird."
Was ist Nitrat?
"Nitrat ist eine Stickstoffverbindung, die im Kot und Urin von Schweinen, Rindern und Hühnern vorkommt. Außerdem enthalten die Gärreste aus Biosgasanlagen diesen Stoff. Nitrat an sich ist ungiftig, kann aber im Magensaft zu Nitrit werden. Zu viel Nitrit kann bei Säuglingen dazu führen, dass weniger Sauerstoff im Blut transportiert wird. Daher kann sich eine Blausucht (Zyanose) entwickeln. Der daraus resultierende Sauerstoffmangel in lebenswichtigen Organen wie dem Zentralnervensystem und dem Herz kann bei entsprechender Ausprägung bis zum Tod führen. Experten nehmen an, dass Nitrit im Körper von Erwachsenen Krebs hervorrufen kann. Das ist bislang allerdings nur in Tierversuchen nachgewiesen."
Wie kommt Nitrat ins Wasser?
"Bauern bringen die Gülle aus der Tierhaltung und die Gärreste auf ihre Felder aus, um sie zu düngen. So gelangt das enthaltene Nitrat letztlich in unser Grundwasser. Wie viel die Bauern ausbringen dürfen, regelt die deutsche Düngerverordnung, zuständig dafür ist der Bund. Die Verordnung muss auf Druck der EU neu geregelt werden: Weil in Deutschland die Grenzwerte nicht eingehalten werden, hat die EU-Kommission bereits 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet."
Wie ist die Situation in NRW?
"Nach Angaben des NRW-Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz sind rund 40 Prozent des Grundwasserkörpers aufgrund hoher Nitratbelastung in chemisch schlechtem Zustand. Besonders rund um Bonn, am Niederrhein, im Münsterland und in Ostwestfalen gibt es hohe Nitratbelastungen."
Welche Folgen hat Nitratbelastung für die Wasserversorgung?
"In Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen müssen Wasserversorger teilweise Brunnen dicht machen. Wasserversorger kaufen selbst Land, um ihre Brunnen vor Gülle zu schützen. Oder sie mischen nicht belastetes Wasser bei, um unter den Grenzwert zu kommen."
Auf den Seiten der WDR Online Ausgabe: WDR 23.11.2015
Fakten zum Thema Nitrat: Gesundheitsrisiko im Trinkwasser?
Von Ruth Schulz
"Nitrat kommt in der Natur vor. Über Gülle, Kunstdünger oder Gährreste aus Biogasanlagen gelangt aber viel zusätzliches Nitrat in Böden und damit auch ins Grundwasser. "
Was hat es mit dem Stoff auf sich?
"Nitrate sind wasserlösliche Salze, die natürlich im Boden vorkommen. Auch die Ausscheidungen von landwirtschaftlich gehaltenen Tieren enthält Nitrat. Da diese Stoffe Pflanzen als Nährstoff dienen, werden Nitrate auch zu Kunstdünger verarbeitet oder in Form von Gülle oder Gährreste aus Biogasanlagen in der Landwirtschaft eingesetzt."
Stickstoff als Nährstoff
"Pflanzen, Tiere und Menschen brauchen Stickstoff, um daraus im Körper Eiweiße bilden zu können. Nur wenige Pflanzen können Stickstoff aus der Luft binden. Deshalb werden die Böden gedüngt. Vor allem in Blattsalaten und Wurzelgemüse reichert sich viel Stickstoff an. Über sie nehmen wir das meiste Nitrat zu uns. Im Herbst oder Winter geerntetes Gemüse enthält mehr Nitrat als Sommergemüse, Grünzeug aus dem Gewächshaus mehr als Freilandgemüse. Auch gepökelte Fleischwaren und eben Trinkwasser sind solche Nitratquellen. Nitrat selbst ist für Erwachsene nicht schädlich. Durch Einwirken bestimmter Bakterien im Darm kann sich Nitrat aber zu Nitrit oder krebserregenden Nitrosaminen wandeln."
Riskante Nitrosamine
"Tierversuche haben gezeigt, dass Nitrosamine Krebs verursachen können, wenn sie in hohen Dosen gespritzt oder inhaliert werden. In Zigarettenrauch sind viele Nitrosamine enthalten, die zum Krebsrisiko des Rauchens beitragen. Unklar ist allerdings noch, wie groß das Risiko durch Nitrosamine ist, die über das Essen oder über Wasser eingenommen werden. Wissenschaftler schätzen die Gefahr derzeit als eher gering ein, raten aber, nicht unnötig viel Nitrat über längere Zeit zu konsumieren."
Vorsicht bei Säuglingsnahrung
"Wird Nitrat durch normale chemische Prozesse zu Nitrit, können chemische Verbindungen, die daraus später entstehen, bei Säuglingen bis zum Alter von drei Monaten den roten Blutfarbstoff verändern. Das Blut kann dann Sauerstoff nicht mehr gut transportieren, was bei kleinen Kindern sogar bis zum Tod führen kann. Wasser für Säuglingsnahrung sollte deshalb möglichst wenig Nitrat enthalten. Wasser, dessen Nitratgehalt unter dem geltenden Grenzwert von 50 mg/l liegt, ist für Säuglinge unbedenklich."
Auf den Seiten der WDR Online Ausgabe: WDR 23.11.2015
Nitratbelastung in NRW-Grundwasser - Gefahr für den Hausbrunnen
Die Nitratbelastung im Grundwasser steigt - mit Folgen vor allem für Hausbrunnen-Betreiber. Der WDR hat nachgefragt, wo im Land bereits zu hohe Nitratwert im Trinkwasser festgestellt wurden.
"Durch die Nitratbelastung sind vor allem die Betreiber von Hausbrunnen betroffen, die ihr Trinkwasser direkt aus dem Grundwasser beziehen. Im Gegensatz zu Wasserwerken sind sie nicht in der Lage, belastetes Wasser mit unbelastetem Wasser zu vermischen, um so das Nitrat zu verdünnen. Bundesweit bezieht etwa ein Prozent der Bevölkerung sein Wasser auf diese Weise - meist in Regionen, in denen die Erschließung entlegener Gebäude oder Siedlungen mit dem öffentlichen Wassernetz zu teuer wäre.
Die Gewinnung dieses Trinkwassers unterliegt aber den gleichen Qualitätsanforderungen wie das Wasser aus dem öffentlichen Netz, so dass regelmäßig geprüft wird, ob alle Grenzwerte der Trinkwasserverordnung eingehalten werden. Unter anderem auch die Werte von Nitrat. Zuständig für die Untersuchung des Trinkwassers sind die Gesundheitsämter der Kreise und kreisfreien Städte. Deren Untersuchungsergebnisse für Hausbrunnen hat der WDR erfragt und von 44 der 53 Behörden eine Antwort bekommen."
Auf den Seiten der WDR Online Ausgabe: WDR 18.11.2015
Nitrat und die Folgen der Massentierhaltung: Günstiges Fleisch oder günstiges Wasser?
Von Philipp Ruhmhardt
Nitrat belastet unser Wasser, Schuld daran ist, so die Experten, vor allem die Massentierhaltung. Viele Tiere produzieren viel Gülle und dadurch kommen viele Schadstoffe ins Wasser. Aber was kann man dagegen tun?
"Nordrhein-Westfalen hat ein Gülle-Problem. Denn wenn zu viel Gülle als Dünger benutzt wird, gelangt zu viel Nitrat ins Grundwasser. Bereits 40 Prozent des Grundwassers in NRW ist in chemisch schlechten Zustand - wegen der hohen Nitratbelastung. Teilweise werden die Grenzwerte der EU um ein Vielfaches überschritten. Hauptursache ist die industrielle Landwirtschaft mit ihrer Massentierhaltung. Denn viele Tiere bedeuten: viel Gülle. Die Gülle wird als Dünger auf die Felder ausgebracht. Im Boden können aber nicht alle Nährstoffe - auch das Nitrat - von den Pflanzen aufgenommen werden und gelangen so mit dem Regenwasser ins Grundwasser."
Deutschland droht eine Klage vor dem EuGH
"Das stellt auch viele Wasserwerke vor Probleme. "Grundwasser ist endlich", warnt Ulrich Peterwitz von Gelsenwasser, dem größten Wasserversorger in Nordrhein-Westfalen. Dabei ist das Nitratproblem nicht neu: Schon in den 1990er Jahren wurde von der EU eine Nitratrichtlinie eingeführt. Sie setzt einen Grenzwert von 50 mg Nitrat pro Liter Wasser fest. Aus Sicht der Wasserwerke müsste die Politik längst handeln, damit der Grenzwert eingehalten werden kann. Eine Düngeverordnung ist nötig - doch die werde auf Druck von Lobbygruppen immer wieder verschoben.
Das kritisiert auch NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Die Große Koalition mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt "zögert das Problem haraus", klagt der NRW-Minister. "Wir haben noch nicht mal einen abgestimmten Entwurf einer Verordnung." Remmel will es nicht so weit kommen lassen wie in Frankreich, die in dieser Frage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angeklagt sind. Auch Deutschland droht eine solche Klage."
Kosten für die Wasseraufbereitung zahlt der Verbraucher
"Viele Jahre dauert es, bis der Dünger durch die Bodenschichten gesickert und im Grundwasser angekommen ist. Bis Maßnahmen, die heute ergriffen werden, ihre Wirkung zeigen, dauert es auch. Nitratexpertin Angela Herzberg, die lange für die Rheinisch-Westfälischen Wasserwerke gearbeitet hat, sagt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Verbraucher dafür bezahlen muss. Die Trinkwasserversorger könnten nichts anderes tun, "als das Wasser aufzubereiten". Entweder wird das belastete Wasser mit Unbelastetem gemischt, bis die Grenzwerte unterschritten werden. Oder das Wasser wird gefiltert. Beide Verfahren sind aufwendig und kostspielig. "Das, was am Ende diese Aufbereitung kostet, wird auf die Verbraucher umgelegt", sagt sie.
Weniger Gülle wird nur dann produziert, wenn die Landwirte in NRW weniger Tiere halten. Das wiederum hätte dann höhere Fleischpreise zur Folge. Man könne sich aussuchen, ob man entweder billiges Fleisch essen oder günstiges Wasser trinken will, meint Angela Herzberg. Beides werde langfristig nicht möglich sein."
Auf den Seiten der WDR Online Ausgabe: WDR 24.11.2015
EU schlägt Alarm: "Staatlich geduldete Brunnenvergiftung"
Von Jürgen Döschner
Wasser ist lebensnotwendig und soll eigentlich per Gesetz besonders geschützt werden. Stattdessen aber nimmt die Grundwasserverseuchung mit Nitrat besonders in Deutschland teils extreme Ausmaße an. Ursache ist vor allem die Landwirtschaft. Die Bundesregierung stellt sich bisher stur.
"Am 10. Juli 2014 war die Geduld der EU-Kommission am Ende: Bereits vor mehr als zwanzig Jahren hatten sich die EU-Staaten auf die so genannte "Nitratrichtlinie" geeinigt. Ihr Ziel: Die zunehmende Gülle-Flut auf Äckern und Wiesen und damit den Nitrat-Eintrag ins Grundwasser zu verringern. Deutschland hat die Richtlinie überhaupt erst 2006 in nationales Recht übertragen. Doch bis heute verfehlt Berlin die darin vorgegebenen Ziele. Wiederholte Mahnungen der EU blieben folgenlos."
Bundesregierung stellt sich stur
"Die zuständige Kommission in Brüssel leitete daher im Juli 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Versäumnisse wurden aufgelistet, Fragen gestellt, Fristen gesetzt. Doch wieder geschah nichts. Jetzt legt die EU-Kommission nach: Wie der WDR erfuhr, bereitet Brüssel ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren vor. Der Vorwurf diesmal: Verstoß gegen eine der zentralen Umweltschutz-Vereinbarungen der EU, die "Wasserrahmenrichtlinie".
Mit der "Wasserrahmenrichtlinie" von Oktober 2000 verpflichteten sich Deutschland und die anderen EU-Staaten, diese Ressource besonders zu schützen - zum Beispiel die Nitrat-Belastung der Gewässer zu senken. Doch das Urteil der EU über die Qualität der Gewässer in Deutschland ist vernichtend: "Im Jahr 2009 befanden sich nur 9,5 Prozent der Wasserkörper in einem guten Zustand", schreibt die Europäische Kommission in der "EU-Pilotanfrage Nr. 7806/15/ENVI". Das Schreiben, das dem WDR vorliegt, ist der erste Schritt zur Einleitung eines offiziellen Vertragsverletzungsverfahrens. Wasserkörper - das sind Flüsse, Seen, Meere und so genannte "Grundwasserkörper", die wichtigste Quelle für unser Trinkwasser."
Deutschland EU-weit zweithöchste Nitratkonzentration im Wasser
"Allein 370 dieser "Grundwasserkörper" Deutschlands befinden sich laut EU-Kommission "in keinem guten chemischen Zustand". Wichtigste Ursache: "Übermäßige Nitrateinträge vorwiegend aus landwirtschaftlichen Quellen" – also Gülle, Mist und in zunehmendem Maße auch die Rückstände von Biogasanlagen. Damit hat Deutschland hinter Malta die EU-weit höchste Nitratkonzentration im Grundwasser. Besonders betroffen sind Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Für die landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen von NRW - beispielsweise Niederrhein, Ostwestfalen und Münsterland - konstatierte der "Nitratbericht" 2014 seit über 20 Jahren gleichbleibend hohe oder steigende Nitratwerte im Grundwasser. Dazu das ernüchternde Fazit: Bei rund 40 Prozent der Grundwasservorkommen in NRW sei "ohne entsprechende Aufbereitung keine Gewinnung von Trinkwasser mehr möglich". "
Grenzwerte auch in NRW weit überschritten
"160 Millionen Kubikmeter (Stand 2010) Gülle landen jährlich als Dünger auf Deutschlands Äckern. Ein großer Teil des darin enthaltenen Nitrats gelangt ins Grundwasser. Im menschlichen Körper kann sich die harmlose Stickstoffverbindung in Nitrit umwandeln und vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern zu Sauerstoffmangel bis hin zum Erstickungstod führen. In Deutschland gilt deshalb ein Grenzwert von 50 mg Nitrat pro Liter in Trink- und Grundwasser, die WHO empfiehlt sogar maximal 20 mg/l.
Davon sind wir allerdings in vielen Teilen Deutschlands weit entfernt. An zahlreichen Messstationen im Norden und Westen von NRW meldet das Düsseldorfer Umweltministerium Werte von 150 bis 300 mg/l. Die Gebiete, in denen der Grenzwert von 50 mg/L überschritten ist, werden immer größer. Das geltende Recht – geregelt durch die Düngeverordnung – erlaubt den Bauern in Deutschland großzügige Ausnahmen von den EU-Vorgaben: Statt 170 kg Stickstoff aus Dung pro Hektar und Jahr dürfen sie bis zu 230 Kilo auf die Felder bringen. Zusätzlich landet immer öfter Gülle illegal auf dem Acker. Nach WDR-Informationen hat sich von 2011 bis 2014 die Summe der Bußgelder gegen Gülle-Sünder in Nordrhein-Westfalen mehr als vervierfacht."
Bundesregierung ignoriert das Problem
"Bei der Bundesregierung ist das Problem seit langem bekannt, wird aber genauso lange schon ignoriert. So stellt die EU-Kommission zum Verstoß gegen die Wasserrahmenrichtlinie fest, dass "Deutschland (…) keine weiteren grundlegenden (…) Maßnahmen zur Bekämpfung diffuser Verschmutzungen durch Nitrate aus landwirtschaftlichen Quellen getroffen hat". Nicht einmal eine Bestandsaufnahme habe Deutschland erstellt, in der das Ziel mit dem gegenwärtigen Zustand verglichen wird. Blick auf das Erreichen der Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie sei man "ernsthaft besorgt"."
Wasserpreise steigen durch Nitratverseuchung
"Kommunale Versorger und Wasserwerke dagegen schlagen seit langem Alarm. Schließlich müssen sie tagtäglich mit den Folgen des Nitratproblems fertig werden – was immer schwieriger und immer teurer wird. Neue Brunnen müssen gebohrt, andere vertieft werden. Oft hilft nur aufwändiges Mischen, um die geforderten Grenzwerte fürs Trinkwasser einzuhalten. Bundesweit rund 25 Milliarden Euro, so Berechnungen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, koste die Nitrat-Verseuchung des Grundwassers schon jetzt jedes Jahr. Steigende Wasserpreise seien die Folge.
Auf Ermahnungen und Fragen aus Brüssel verweist die Bundesregierung stets auf die geplante Reform der Düngeverordnung. Aber das Reformwerk ist heftig umstritten. Bauernverbände hätten am liebsten, wenn alles beim Alten bliebe und sie ihre Gülle billig und üppig auf die Äcker bringen könnten. Umweltverbände und Wasserwerker wollen strengere Vorgaben und wirksame Kontrollen. Bislang war der Widerstand der Bauernlobby erfolgreich: Seit 2011 wird die Reform angekündigt, aber immer wieder verschoben. Das neueste Datum lautet nun "Mitte 2016". Bärbel Höhn, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, erklärte im WDR-Radio: „Die Landwirtschaft“ hat ein großes Entsorgungsproblem mit ihrer Gülle, und die Bundesregierung schafft es seit Jahren nicht, eine umweltfreundliche Verordnung hinzubekommen.“ Und die Kritik der früheren NRW-Umweltministerin an der Untätigkeit der Bundesregierung in der Nitrat-Frage gipfelt schließlich in der Feststellung: „Letztlich haben wir es mit einer staatlich geduldeten Brunnenvergiftung zu tun.“"